Geheimtipp: Die Tanzcompanie Cie. La Ronde

Premiere «4 x Rousseau» am 1.3. im Theater Winterthur

Die Schweizer Tanzcompagnie präsentiert ihre zweite Produktion, die sich mit dem Werk und Leben von Jean-Jacques Rousseau auseinandersetzt. Der Philosoph und Schriftsteller gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Aufklärung im 18. Jahrhundert, der die Freiheit und die Gleichheit aller Menschen forderte.

Letzte Woche konnte ich eine öffentliche Bühnenprobe besuchen und erste spannende Eindrücke gewinnen. Unglaublich wie die Tänzerinnen und Tänzer von Cie. La Ronde sich auf der Bühne bewegen, verdrehen und winden, um diese anspruchsvollen Choreografien zu interpretieren. Ein beeindruckendes Zeugnis für die Fähigkeiten des menschlichen Körpers und die Vielfalt der Bewegungsmöglichkeiten, die mich immer wieder erneut staunen lassen. Das ist zeitgenössischer Tanz in seiner reinsten Form, frei von Schwerkraft und jeglicher Einschränkungen.

Rousseaus Philosophie durch vier Choreograf:innen zu darzustellen, ermöglicht eine faszinierende Vermischung unterschiedlicher Bewegungssprachen und verschiedener Genres. Die beteiligten Kunstschaffenden Caroline Finn, Ihsan Rustem, Luca Signoretti, Sarafina Beck setzen jeweils ihren eigenen Fokus, um der komplexen Persönlichkeit von Rousseau zu begegnen. Das gemeinsame Bühnenbild und die eigens dafür komponierte Musik von Alexandre Dai Castaing bilden einen einheitlichen Rahmen und verbinden die einzelnenTeile.

Wie sich ein roter Faden durch alle Choreografien zieht, dürfen wir bei der Premiere erleben, erklärt Ihsan Rustem, künstlerischer Leiter und Mitbegründer, dem Probenpublikum. Lassen wir uns überraschen! Für mich ein „must see“ für jeden Dance Lover.

Warum sollte sich das Publikum das neue Stück ansehen?

„With Cie. La Ronde’s ‚4xRousseau‘ you will have the opportunity to experience the artistry of some of Switzerland’s most versatile and technically gifted dance artists, and witness the creations of four distinctivly diverse choreographers, spanning from internationally acclaimed to up and coming „Geheimtipps“ each bringing their unique vocabulary to the stage. Enjoy an evening of thought provoking and dynamically powerful dance, inspired by the life and work of Jean-Jacques Rousseau. „
Foto: Ihsan Rustem © Aline Paley / Prix de Lausanne

Interview mit Ihsan Rustem
Lieber Ihsan, nachdem ihr mit der Produktion «8», die bei uns am Theater Winterthur Premiere feierte, einen grossartigen Erfolg einfahren konntet, starten wir nun eine zweite Zusammenarbeit mit «4 x Rousseau». Was können wir erwarten?

Wir folgen einer ähnlichen Struktur wie bei «8». Auch hier arbeiten vier Choreograf:innen in einem kollaborativen Format, wobei die einzelnen Werke durch gemeinsam entwickelte Übergänge nahtlos miteinander verwoben werden. Der strukturelle Unterschied besteht dieses Mal darin, dass jeder von uns einen anderen Anker von Rousseaus Werk übernimmt, was in vier eigenständigen Choreografien resultiert, die aber immer noch durch Thema, Komposition, Bühnenbild und Kostüm verbunden sind.
Der andere offensichtliche Unterschied ist der Abschied von Cie. La Ronde-Mitbegründerin Cathy Marston, die nun ihre erste Saison als Direktorin des Balletts Zürich geniesst. Ich weiss, dass sie die Fortsetzung dessen, was wir mit Cie. La Ronde geschaffen haben, sehr unterstützt. Ihre Anwesenheit ist hier in der Familie immer noch sehr spürbar.

Eine Tänzerin eurer ersten Produktion, Sarafina Beck, hat jetzt die Seite gewechselt und choreografiert einen der vier Themenkomplexe. Du warst ja früher auch Tänzer. Wie kann man sich diesen Wechsel vom Tanzen zum Choreografieren vorstellen?

Der Weg von der Tänzerin zur Choreografin scheint naheliegend zu sein, aber nur wenige schaffen ihn tatsächlich. Sarafinas Begabung als Choreografin ist tiefgreifend und es war uns wichtig, ihr eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre Kreativität in einem sicheren und vertrauten Umfeld zum Ausdruck bringen kann. Wie ich selbst choreografiert Sarafina eigentlich schon so lange, wie sie tanzt. In den meisten Fällen tun das Choreograf:innen erst, nachdem sie ihre Zeit als Tänzer:innen genossen haben. Sarafina ist eine der seltenen Fälle, die beides immer gleichzeitig gemacht hat. Wir bezeichnen sie gerne als «Geheimtipp», denn ihre Talente sind einzigartig, und wir sind sicher, dass man sie in Zukunft im Auge behalten sollte. Sarafina ist dafür bekannt, dass sie Solowerke schafft, deshalb wollten wir ihr die Möglichkeit bieten, in einem Ensemble zu arbeiten. Gleichzeitig hat sie den Wunsch geäussert, in der Produktion auch zu tanzen – und bei einem solchen Talent konnten wir ihr das natürlich nicht abschlagen, so dass sie eine doppelte Verantwortung im Programm haben wird. Sarafina war ein absoluter Publikumsliebling in «8» und ich freue mich sehr, dass sie in Winterthur wieder auf der Bühne stehen wird.
Caroline Finn, Luca Signoretti, Sarafina Beck und du choreografiert diesen Abend und arbeitet unterschiedlich.

Wie würdest du die jeweiligen Stile und Arbeitsweisen beschreiben und wie kommt das Ganze zusammen?
Ich würde Caroline als eine Geschichtenerzählerin mit einer kraftvollen und neugierigen Natur beschreiben. Ich habe gelernt, von ihr «das Unerwartete zu erwarten», das sich ständig weiterentwickelt und immer wieder überrascht. Lucas Choreografie ist wie flüssiges Quecksilber. Er lässt sich oft von Beziehungen inspirieren und baut auch eher humorvolle Elemente in seine Arbeiten ein. Sarafina: Ein Kraftpaket! Ich kann mit voller Überzeugung hinzufügen, dass sie auch die musikalischste Künstlerin ist, die ich in meinen 25 Jahren in diesem Job erlebt habe! Meine Arbeit, nun, sie wird oft als erdig und kühn beschrieben. Ich war schon immer von komplexer Partnerarbeit fasziniert, also könnt ihr sicher sein, dass ihr eine Reihe von Duetten sehen werdet!

Inwieweit hat Jean-Jacques Rousseau euch als Choreograf:innen inspiriert und beeinflusst?

Unser Werk ist wirklich zugänglich. Es ist für jeden erfahrbar, unabhängig davon, ob man mit Rousseau vertraut ist oder nicht. Die Expert:innen da draussen werden den Hintergrund und die Inspiration hinter den Werken verstehen, und auch viele der Fragmente, die wir mit einem kritischen Blick untersuchen. Diejenigen, die mit Rousseau weniger vertraut sind, werden in einige seiner Ideen eingeführt und können sich einfach zurücklehnen und ein vielfältiges Spektrum an künstlerischen Signaturen geniessen, die von Weltklasse-Tänzer:innen, die alle aus der Schweiz stammen, kraftvoll zum Ausdruck gebracht werden.

Ihr habt mit Alexandre Dai Castaing einen der angesagtesten Musiker/Komponisten für Tanz engagieren können. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Wir haben das unglaubliche Glück, einen der spannendsten Komponisten der Welt in unserem Team zu haben! Alexandre ist nicht nur ein genialer Komponist, sondern auch eine der freundlichsten und grosszügigsten Seelen, denen ich je begegnet bin. Er arbeitet viel mit Sidi Larbi Cherkaoui zusammen, dem heutigen Direktor des Ballet du Grand Théâtre de Genève. Wir traten mit unserem Konzept an ihn heran, und ich setzte mich mit ihm und seinem Agenten zusammen und präsentierte unsere wunderbare Idee, die zu diesem Zeitpunkt nur ein Samenkorn war. Ich glaube, sie waren deshalb vom Konzept überzeugt, weil wir sowohl auf künstlerischer als auch auf menschlicher Ebene zusammenzupassen, was für uns alle wichtig ist. Ich kann sagen, dass jedes Mitglied der Cie. La Ronde Familie einfach wunderbare Menschen sind und wir zusammen eine Menge Spass haben!

CIE. LA RONDE
Die innovative Zürcher Tanzcompagnie Cie. La Ronde wurde 2020 von den Choreograf:innen Cathy Marston und Ihsan Rustem gegründet.
Cie. La Ronde fördert die Vielfalt der Perspektiven sowohl in der Arbeit als auch im Team und ist bestrebt, unsere Welt und unsere Zeit durch fantasievolle, authentische und einfühlsame Kommunikation mit dem Publikum zu reflektieren.

Das gesamte Team besteht aus in der Schweiz ansässigen Künstler:innen mit internationalem Renommee und individuellen Werdegängen, die sich in Cie. La Ronde zusammengeschlossen haben, um gemeinsam ausgesprochen physische und theatrale Tanzwerke kreieren, die für ein breites Publikum verständlich und zugänglich sind.

Vier Choreografinnen entwickeln die Arbeitsmethoden und den Inhalt der Produktion in Ko-Kreation und unterstützen sich gegenseitig sowohl auf konzeptioneller wie auch choreografischer Ebene. Dabei kommt ein gemeinsames Bedürfnis ins Spiel, durch den Austausch verschiedener Methoden und Herangehensweisen neue «Tools» zu finden und sich gegenseitig zu ermutigen und zu unterstützen, gemeinsam Risiken einzugehen. «8», die erste Produktion der Compagnie, feierte grosse Erfolge, nachdem sie 2022 im Theater Winterthur Premiere feierte und im Rahmen des Migros-Kulturprozent Tanzfestival Steps auf schweizweite Tournee ging. Cie. La Ronde wurde in der nationalen und internationalen Presse in über 30 Medienbeiträgen erwähnt, wobei immer wieder auf das einzigartige kollaborative Format der Compagnie aufmerksam gemacht wurde, das verschiedenste Blickwinkel bei der kreativen Arbeit fördert und stilistisch unterschiedliche Künstlerinnen zusammenbringt, die sich sonst nur selten eine Bühne teilen.

Das Interview wurde vom Theater Winterthur geführt.

KÜNSTLERISCHE LEITUNG: Ihsan Rustem
CHOREOGRAFIE: Caroline Finn, Ihsan Rustem, Luca Signoretti, Sarafina Beck
TÄNZER:INNEN: Sarafina Beck, Nora Brown, Dario Dinuzzi, Giulia Esposito, Egon Gerber, Angelina Pico, Dario Rigaglia, Wittha Tonja
KOMPONIST & MUSIC EXECUTIVE PRODUCER: Alexandre Dai Castaing
KOMPOSITION CELLO: Julia Kent
BÜHNE UND KOSTÜME: Renê Salazar
MANAGING DIRECTOR & PRODUKTIONSLEITUNG: Martina Langmann-Gnädinger
TECHNISCHE LEITUNG: Benjamin Auer 
ADMINISTRATION: Irene Andreetto
PRODUKTION: Cie. La Ronde
KOPRODUKTION: Theater Winterthur, Tanzwerk101, Grosse Halle – Reitschule Bern
PARTNER: Stadttheater Langenthal, Kulturmarkt Zürich, ZÜRICH TANZT, Tanzhaus Zürich, Tanzfest Bern

VORSTELLUNGEN

Premiere Theater Winterthur 1 März 2024

Weitere Vorstellungen 2 / 9 / 10 März 2024

Stadttheater Langenthal 14 März 2024

Grosse Halle / Reitschule Bern 1 / 2 Mai 2024

Kulturmarkt Zürich / ZÜRICH TANZT 4 / 5 Mai 2024 

Beitragsbild: 1. Produktion «8» © Caroline Minjolle / Tanzfestival Steps