Hier mein Post zur Premiere 2021: Ballett Zürich tanzt überirdisch
Was für ein göttlicher Ballettabend am Opernhaus Zürich! Zwei Werke (EMERGENCE und ANGELS’ATLAS) der kanadischen Starchoreografin Crystal Pite und ALMOST BLUE, eine Schweizer Erstaufführung von Marco Goecke, Choreograf des Jahres 2021, gekürt von der Zeitschrift tanz.
Das Ballett Zürich zeigt sich in Topform, alle drei Stücke brilliant getanzt und höchst eindrucksvoll präsentiert. Unglaublich, zu welchen Bewegungen der menschliche Körper fähig ist.
Angels‘ Atlas
Der eindeutige Höhepunkt des Abends war die titelgebende Choreografie Angels‘ Atlas, die in Kooperation mit dem National Ballet of Canada entstanden ist. Gleich zu Beginn des Stücks wird die Zuschauerschaft in eine transzendantale Stimmung versetzt. Das Bühnenbild wirkt wie ein sich stetig verändernder, sakraler Raum.
Zu Tschaikowskys Cherubinischen Hymne und der Musik von Owen Belton und Morten Lauridsen erwachen die Tänzerinnen und Tänzer zum Leben. Der Tanz der Engel beginnt – untermalt durch die mystische Lichtgestaltung von Tom Visser. Wie Crystal Pite beschreibt, verbindet ihre Choreografie Licht und Tanz. Die Bewegung des Lichts ist quecksilbrig und flüchtig, doch „mit dem Tanz können wir der eigenen Vergänglichkeit etwas entgegensetzen“.

Almost Blue/ Marco Goecke
Zur einfühlsamen Musik von Anthony and the Johnsons und der legendären Soulinterpretin Etta James verarbeitet der deutsche Choreograf seine Trennung 2018 vom Stuttgarter Ballett. Man spürt die Aufbruchstimmung. „…Da wollte ich nochmal Luft holen, auf die Pauke hauen und den ganzen Dreck von oben runter schütten auf alle. Da ist schon ein bisschen Trotz und Wut und Kraft drin.“ Mit diesen klaren Worten spricht Marco Goecke über seinen schmerzlichen Abschied im Programmheft.

Seine choreografische Handschrift ist unverkennbar. Flatternde Hände, zitternde Arme und zuckende Oberkörper sind sein Markenzeichen. Die Kostüme – nackte Oberkörper, die Arme in langen schwarzen Handschuhen – vermitteln den Eindruck, die Körper bestehen nur aus einem Torso, was die Verletzlichkeit noch mehr unterstreicht.

Emergence/ Crystal Pite
EMERGENCE – ein zweiteiliges Ballett der Extraklasse am Opernhaus (mein Review vom 16. Mai 2018)
So was Verrücktes habe ich noch nie gesehen. EMERGENCE – ein Ballett über das Schwarmverhalten der Bienen von der weltweit gefeierten Choreografin Crystal Pite! Schon mal eine geniale Idee!
Energiegeladen und geschäftig tanzt das Ballett Zürich im Bienenstock (herrliches Bühnenbild von Jay Gower Taylor). 37 Tänzerinnen und Tänzer demonstrieren das Verhalten der fleissigen Insekten, die nur in der Gruppe erfolgreich sind.
Mehr braucht man eigentlich über das Stück nicht zu wissen. Die Handlung erklärt sich von selbst. Ich habe mich wirklich mitreissen lassen.
Die Hightlights: wie zu Beginn eine Bienenlarve zum Leben erwacht, wie die Drohnen im Rhythmus marschieren und wie im Schlussbild das ganze Ensemble wie eine Einheit atmen und tanzt; eine ganz neue Bewegungssprache, teils animalisch, teils bedrohlich, aber von einer unheimlichen Anziehungskraft.

Die Musik von Owen Belton – eigentlich sind es eher Klänge und Geräusche – treibt das Geschehen voran – sehr miminalistisch, sehr fremdartig, ungeheuerlich.
Tänzerisch eine Meisterleistung der gesamten Ballettcompanie – Präzison und Ästhetik pur! Am liebsten hätte ich das Stück gleich nochmal gesehen, so schön war es!

Termine und weitere Informationen
Wiederaufnahme am 27. März 2022
Weitere Vorstellungen am 2. April, 6. April und 8. April 2022
https://www.opernhaus.ch/spielplan/kalendarium/angels_atlas/2021-2022/