Berührendes Musiktheater von Christian Spuck

Uraufführung MONTEVERDI 15. Januar 2022

Christian Spucks letzte abendfüllende Premiere am Opernhaus Zürich – bevor er 2023 Ballettdirektor am Staatsballett Berlin wird- widmet sich den Madrigalen und Lamenti von Claudio Monteverdi (1567-1643). Dieses umfassende Werk von Gesang, Tanz und instrumentalen Teilen bezeichnet der Choreograf selbst als Musiktheater. Neben dem Ballettensemble wirken sieben hervorragende Sängerinnen und Sänger sowie das gefeierte Orchestra la Scintilla unter der Leitung von Riccardo Minasi mit. Im Mittelpunkt stehen Liebesschmerz und Welttraurigkeit und eine beklemmende Melancholie.

Die Musik Monteverdis steht im Vordergrund. Das Ballettensemble tanzt mit ausgetüftelten, oft ungewohnten Bewegungen, mal feiner und ruhiger, mal gröber und ausufernd, mal fallenlassen und auffangen – alles extrem ausdrucksstark und präzise. Sehr gefühlvoll interpretieren die SolistInnen Sehnsucht, Verzweiflung und Schmerz in wunderschönen Pas de deuxs. Eine grossartige Leistung des Balletts Zürich!

Alte Tonbandaufnahmen von italienischen Liebesschnulzen aus den 60er und 70er Jahren sowie einige Überraschungen bringen (willkommene) musikalische Abwechslung. Das diskrete, in sanften Grautönen gehaltene Bühnenbild von Rufus Didwiszus sowie die dezenten, leicht farbenfrohen Kostüme der wieder einmal genialen Kostümbildnerin Emma Ryott bringen einen modernen Touch, der aber durch Halskrausen und Ritterrüstungen gebrochen und somit doch wieder an das 17. Jahrhundert erinnert. Eine spannungsvolle Mischung!

Ein besonders trauriges und eindrückliches Pas de deux tanzten Giulia Tonelli und Lucas Valente. Zwei Liebende, die sich auf Leben und Tod bekämpfen, ohne zu wissen, wer der wahre Gegner wirklich ist.

Fazit: Es war ein ausserordentlicher Hochgenuss, das Ballett Zürich tanzen zu sehen. Ganz persönlich muss ich aber gestehen, dass ich gehofft hatte, dass mir das Ballett die alte Musik und somit Monteverdi näher bringt. Leider hat sich mir trotz der tänzerischen, bühnen- und kostümbildnerischen Genialität diese doch sehr „betagte“ Musik nur bedingt erschlossen haben – obwohl mir die Stimmen der Sängerinnen und Sänger extrem gut gefallen haben. Wahrscheinlich muss ich noch älter werden … 🙂

Nächste Vorstellungen

20. und 26. Februar 2022

Weiter Infos: Webseite Ballett Zürich

https://www.opernhaus.ch/spielplan/kalendarium/monteverdi/2021-2022/

Kurzgefasst

Monteverdi

Mit Claudio Monteverdi hat alles angefangen. Mit dem bedeutendsten italienischen Komponisten des frühen 17. Jahrhunderts wird die Musik theatralisch. Liebende und Einsame, Eifersüchtige und Zornige betreten die Bühne, klagen ihr Leid und kehren im Gesang ihr Innerstes nach aussen. So sinnlich und herzzerreissend ich-bewusst war der singende Mensch bis dahin noch nicht in Erscheinung getreten wie in Monteverdis Opern, die zu den ersten der Musikgeschichte gehören, und in seinen Madrigalbüchern, in denen sich der Übergang vollzieht von der polyphonen Vokalkunst der Renaissance zur Ausdruckskraft der einzelnen, von Musik begleiteten menschlichen Stimme. Monteverdi macht für seine Madrigale einen genere rappresentativo geltend, einen darstellenden Stil, der nicht nur Szenisches, sondern auch Gestisch-Tänzerisches in Töne kleidet. Das berühmteste seiner Madrigalbücher ist das Achte und letzte, das der Komponist sieben Jahre vor seinem Tod veröffentlicht hat. Eine Stücksammlung, in der er gleichsam noch einmal die Summe seiner Stilentwicklungen und seines dramatischen Schaffens zieht. Musik aus diesem Achten Madrigalbuch steht im Zentrum von Christian Spucks neuem Ballettabend, der wie zuvor schon in den Choreografien von Verdis Messa da Requiem oder Schubert/Zenders Winterreise Vokalsolisten und das Ballett Zürich auf der Bühne vereint.

Sich mit Monteverdi zu beschäftigen, heisst noch einmal von vorne zu beginnen und dem Zauber des musiktheatralischen Anfangs nachzuspüren, der in dessen Arien, Tanzsätzen und Madrigalen erblüht. Wie etwa kann aus dem weltverlorenen Lamento della Ninfa, einem der berühmtesten Klagegesänge Monteverdis, Bewegung, Szene, Tanz erwachsen? Zu welchem choreografischen Ausdruck fordert die zitternd expressive Erregung von Il Combattimento di Tancredi e Clorinda heraus, dem Kampf eines sich feindlich und liebend zugleich gegenüberstehenden Paares? Christian Spuck sucht in diesem Ballettabend nicht nach einer Geschichte, die Monteverdis Minidramen überwölbt, sondern schöpft Energie aus der Kraft des Fragmentarischen und der tänzerischen Abstraktion in einem vom Bühnenbildner Rufus Didwiszus gestalteten Raum, der Theater nach dem Ende von Theater noch einmal von vorne beginnen lässt.

Autor: ballettlovers

I danced ballet as child, albeit with little success. Despite this, my passion for ballet and dance has carried into adulthood. I still love to watch ballet performances and would love to share my passion with you.

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