Wiedersehen mit ehemaligen Tänzern des Zürcher Balletts
Gegründet wurde die Tanzkompanie FORCEFUL FEELING von den in Zürich bestens bekannten Ballettcracks Arman Grigoryan, Arsen Mehrabyan, Tigran Mikayelyan und Vahe Martirosyan. Mit dem Motto „Starke Gefühle – Starke Tänzer“ wollen diese Tänzer aus Armenien wieder die Zuschauer in Zürich begeistern.
Dazu haben sie nicht nur erstklassige Solisten des Staatsballetts Berlin – Krasina Pavlova, Iana Balova und Ashrak Ghalumyan sowie Sarah-Jane Brodbeck, sondern auch die beliebte Zürcher Prima Ballerina Yen Han eingeladen. Ein Must für jeden Ballettliebhaber!!!
Die MAAG MUSIC & ARTS, AG Zürich konnte vorab die ehemalige Solistin des Ballett Zürich Sarah-Jane Brodbeck interviewen, die uns einen hervorragenden Einblick in die Arbeit dieser einzigartigen Compagnie gibt.
Wir sind Freunde und wir haben einfach viel Spass»
Interview mit der Schweizer Ballerina Sarah-Jane Brodbeck
Sarah-Jane Brodbeck, ehemalige Solistin in Heinz Spoerlis Zürcher Ballett, über Forceful Feelings.
Sarah-Jane Brodbeck, was ist Forceful Feelings?
Forceful Feelings ist eine Tanzkompanie, gegründet von den fünf armenischen Jungs: Tigran Mikayelyan, Erster Solist im Bayerischen Staatsballett München, Arsen Mehrabyan, Principal im Königlich Schwedischen Ballett, Vahe Martirosyan, dort Erster Solist, Arman Grigoryan, Solist beim Staatsballett Berlin und Artur Babajanyan, Solist im Joffrey Ballet in Chicago. Das sind die Kernmitglieder der Kompanie. Sie haben sich vor etwa zehn Jahren zusammengeschlossen, um Vorstellungen in Armenien zu organisieren. Dort fanden denn auch die ersten Abende statt mit Jiří und Otto Bubeníček als Gäste.

Die Zwillinge Bubeníček sind Tschechen. Heisst das, dass alle Tänzerinnen und Tänzer, die nicht aus Armenien kommen, Gäste sind?
Gewissermassen. Forceful Feelings ist nicht so eng definiert. Wir sind Freunde, wir kommen zusammen und wir haben einfach viel Spass daran, Vorstellungen zusammen zu stellen. Diesen Zusammenkünften entspringt eine unglaubliche Energie und Leidenschaft. Darum tun wir das.
Sie sind alle fest eingebunden in die Arbeit mit weltbekannten Kompanien in weit voneinander entfernten Städten. Finden Sie überhaupt Zeit für zusätzliche Proben und Vorstellungen?
Es ist schwierig. Was wir gemeinsam machen, geschieht in unserer Freizeit, weil selbstredend das Kompanieleben an erster Stelle kommt. Wir kommen zusammen, wenn wir die Zeit dazu finden. Wir haben ein Repertoire, an dem wir festhalten, aber wir setzen den Abend für jedes Gastspiel und jede Vorstellung wieder neu zusammen und kreieren auch immer wieder neue Stücke. Wir wollen uns und die Abende weiterentwickeln. Das ist spannend.
Bis jetzt ist Arsen Mehrabyan der einzige ständige Choreograf der Kompanie. Werden auch weitere Mitglieder choreografieren?
Die Stücke entstehen in Zusammenarbeit – vor allem wenn die fünf Jungs zusammen ein Stück machen. Dann bringt jeder seine Ideen ein.
Was ist das Ziel des Projekts, abgesehen vom Spass an der Zusammenarbeit? Man konnte lesen, dass Forceful Feelings eine Ballettschule in Armenien unterstützt hat.
Das war am Anfang so. Die Einnahmen der ersten Vorstellungen gingen an die Schule, an der die armenischen Freunde zuerst ausgebildet worden waren. Die Schule wurde renoviert, neue Tanzböden wurden angeschafft und einzelne Studios neu gemacht. Das hat der Schule wirklich geholfen. Die Tänzer wollten, dass Kinder die Chancen kriegten, die ihnen gewährt wurden. Sie besuchten die Ballettschule unter sehr harten Bedingungen. Das war eine schwierige Zeit, damals in den neunziger Jahren in Armenien.
Heute ist bei unserer Arbeit die Unterstützung für Armenien etwas in den Hintergrund getreten. Unabhängige Projekte geben einem eine unglaubliche Befriedigung, weil man viel mehr in den gesamten Prozess involviert wird. Als Tänzerin einer Kompanie tanzt man seine Rolle und muss sich nicht so ums Drumherum kümmern. Hier aber fiebert man richtig mit und trägt viel mehr Verantwortung.
Wir kennen die fünf Tänzer von früher her als saft- und kraftstrotzende junge Männer, die sprühen von Energie. Wie fühlt man sich als Tänzerin mit solchen Muskelpaketen von, sagen wir mal, Machos?
Super. Von aussen mögen sie vielleicht machohaft wirken. Aber sie haben alle so ein grosses Herz, und dieses Herz schlägt für den Tanz. Es macht einfach Spass, mit dabei sein zu können. Wir Frauen können jederzeit unsere Meinung einbringen und die wird auch respektiert.
Wie sieht das vom Tanz her aus? Die armenischen Jungs waren in Zürich berühmt für ihre mächtigen Sprünge, ihre wirbligen Pirouetten, von denen sie nie genug zu bekommen schienen. Kommen Sie als Tänzerin auch zum Strahlen?
Unser Programm hebt sich ab vom typisch klassischen Ballett – vor allem auch in Arsen Mehrabyans Arbeiten. Er erzählt gerne Geschichten und wir bringen Emotionen auf die Bühne. Es geht in unserer Show nicht darum, wie viele Pirouetten einer drehen kann, sondern, um Freude zu vermitteln. Wir haben auch eher traurige Stücke, ein breites Band von Tanz eben. Es geht um stupende Technik, aber auch um Humor und Schmerz.
Welche Gefühle kommen denn auf die Bühne?
Letztes Jahr machten wir eine Show zum hundertsten Jahrestag des Genozids in Armenien. Das war ein Stück von Arsen Mehrabyan, eine schwerere Show als normalerweise. In den Choreografien Arsens verarbeiten die armenischen Tänzer ihre eigene Geschichte, das, was sie in ihrer Jugend erlebt haben. Sie hatten beispielsweise keine Elektrizität – das können wir uns hier gar nicht vorstellen. Der Genozid vor hundert Jahren schlummert immer noch in den Persönlichkeiten. Das merkt man, da ist stets eine latente Traurigkeit. Das Ballett zu hundert Jahre Genozid war ein Stück über Arshile Gorky. Er war ein armenischer Maler mit einem tragischen Leben, das er schliesslich 1948 in den USA selbst beendete. Das war Arsens erstes abendfüllendes Ballett. Die Uraufführung war letzten Sommer in Jerewan.
Sie sind alle klassisch ausgebildete Tänzerinnen und Tänzer. Sind Ihre Shows auch dem klassischen Tanz verpflichtet?
Sie bauen auf dem neoklassischen Tanz auf.
Was bedeutet der klassische Tanz für Sie persönlich?
Er bedeutet mir viel. Man muss den klassischen Tanz respektieren, weil von da alles angefangen hat. Zum Beispiel Mats Ek. Wie bezeichnen wir ihn? In den achtziger Jahren war er klar ein moderner Choreograf. Aber seine Choreografien sind aufgebaut auf dem klassischen Tanz, den er in seine Richtung weiterentwickelt hat.
Sie tanzen heute am Staatsballett in Berlin – warum haben Sie Zürich verlassen?
Ich wollte unbedingt einmal im Ausland arbeiten. Ich hatte grosses Glück, die Ausbildung in Zürich, wo ich zu Hause bin, absolvieren zu können. Und hier fand ich auch gleich das erste Engagement.
Gibt es eine Lieblingsrolle? Etwas, das Sie besonders gern machen?
Wir haben das Privileg, mit Mats Ek zu arbeiten. Wir haben seinen „Schwanensee“ von 1987 einstudiert. Das war ein sehr intensiver Prozess. Die Schwäne sind Männer und Frauen und alle haben Glatzen. Ana Laguna war damals Odette, und sie war beim Einstudieren dabei. Diese Künstler haben eine solche Leidenschaft und einen solchen Perfektionismus. Es macht einfach Spass, mit solchen Leuten zu arbeiten.
Was ist der Unterschied zu Ihrer Arbeit mit dem Zürcher Ballett?
Der grösste Unterschied liegt im Repertoire. Das Königlich Schwedische Ballett ist viel grösser, gegen siebzig Leute. Wenn man wie in Zürich einen Ballettdirektor hat, der auch Choreograf ist, macht man viele Stücke mit und von ihm. Unser Direktor, Johannes Öhman, choreografiert selbst nicht. Das heisst, er lädt immer Künstler ein, entweder, damit diese mit uns ein Stück erarbeiten, oder er kauft Stücke ein. Die Arbeit ist nicht zwingend abwechslungsreicher, aber das Repertoire ist anders.
Wo geht es von da aus hin?
Ich bin jetzt 29 und will gerne noch länger tanzen. In Stockholm gefällt es mir sehr gut. Ich werde geschätzt und bekomme immer schöne Parts zum Tanzen. Im Moment habe ich noch keine konkreten Pläne.
Und wie ist es für Sie, nun mit Forceful Feelings nach Zürich zurückzukommen?
Grossartig. Wir freuen uns alle riesig. Für mich ist Zürich etwas sehr Spezielles. Kein Ort kann mir Zürich ersetzen. Darum wird die Stadt immer meine Heimat bleiben und in ferner Zukunft wahrscheinlich auch wieder einmal werden.
Herzlichen Dank an die MAAG MUSIC & ARTS, AG Zürich, die mir dieses Interview freundlicherweise zur Verfügung stellte (Quelle Mediendokumentation).
Biografie SARAH-Jane Brodbeck
Die Schweizerin Sarah-Jane Brodbeck wurde an der Ballettschule für das Opernhaus und an der Tanzakademie Zürich ausgebildet. 2006 trat sie in das Zürcher Ballett von Heinz Spoerli ein und fiel schnell als sehr elegante Tänzerin auf. Von 2013 bis 2017 war sie als Erste Solistin beim Königlich Schwedischen Ballett engagiert und tanzt nun seit dieser Saison als Solistin am Staatsballett Berlin.
https://www.staatsballett-berlin.de/de/ensemble/sarah-brodbeck/326
Beitragsfoto – Medienbilder von www. forcefulfeeling.ch
Interessantes und entspanntes Interview
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