Symposium für Tanzschaffende von Migros Kulturprozent im Rahmen des Tanzfestivals STEPS am 13. April 2016
Thema: Kollisionen und Konjunktionen. Von der Zukunft früherer und den Bedingungen heutiger Aufbrüche.
Diskussion mit Isabella Spirig Quelle: Webseite steps.ch
Zum internationalen Tanzfestival STEPS kommen alle zwei Jahre ein Dutzend zeitgenössische Tanzcompagnien aus der ganzen Welt und zeigen in 90 Vorstellungen ihre besten Produktionen. Im Rahmen des Symposiums nutzten Tanzschaffende aus der Schweiz die Gelegenheit, mit den internationalen Tanzexperten über die Zukunft des Tanzes zu diskutieren.
In diesem Blog möchte ich drei Themen vorstellen, die mich am meisten beeindruckt haben.
Moderne Technologien im Tanz
Als interaktiver Videokünstler entwickelte Frieder Weiss mit dem Choreografen Gideon Obarzanek die intermediale Performance „Glow“. Technologien wie das Kamera-Motion-Tracking schaffen ganz neue kreative Möglichkeiten, Bewegung zu visualisieren, wie im Video eindrücklich zu sehen ist.
Besonders spannend finde ich die Video Mapping Performance „Levitation“ von Sila Sveta. Eine zukunftträchtige Kunstform, die Tanz neu definiert und auch verändern wird. Durch die Digitalisierung können verschiedene räumliche Perspektiven eingenommen werden. Die Tänzer werden zum Instrument der Technologie und treten in einem virtuellen Bühnenraum in Konkurrenz mit Licht und anderen Effekten. Bei manchen Stücken sind die Tänzer überhaupt nicht mehr als Person erkennbar. Ihre Bewegungen werden digitalisiert dargestellt. Das hat schon zu Protesten verschiedener Tänzer geführt, wie „Künstleringenieur“ Weiss berichtete.
Im Rahmen von STEPS wurde ein Tanz mit einem Industrieroboter aufgeführt – ein einfühlsamer, fast poetischer Dialog zwischen dem Künstler Huang yi und KUKA, dem Roboter. Auch Wayne McGregor setzte 3-D-Screens bei „Atomos“ ein. Dieser Effekt war für mich nur in Ansätzen wahrnehmbar. Das „auf den Bildschirm schauen“ lenkte doch sehr von den einzigartigen Tanzszenen auf der Bühne ab. Sicherlich werden sich unsere Sehgewohnheiten verändern.
Innovative und rekonstruierte Choreografien
Beim zeitgenössischen Tanz gelten die starren Vorschriften des klassischen Balletts nicht. Die Choreografinnen und Choreografen nehmen sich alle Freiheiten. Das kann soweit gehen, dass das Ensemble frei improvisieren darf. Inwieweit Regeln, Strukturen oder Konzepte vorgegeben werden, ist von der Choroegrafie abhängig.
Wayne McGregor ist der britische Star -Choreograf des „intelligenten Tanzens“. Er nutzt Erkenntnisse aus der Hirnforschung und bedient sich aus den Bereichen Tanz, Kunst, Film, Visual Arts sowie moderne Technologien. Seine Schrittfolgen werden als komplizierte Ganzkörperformeln bezeichnet. Das bei STEPS aufgeführte„Atomos“ basiert beispielsweise auf Bewegungsabläufen aus dem Film „Blade Runner“, wobei die Bewegungen der Kamera digitalisiert und choreografisch umgesetzt wurden. Es entstehen völlig neue, noch nie gesehene Tanzbewegungen. Ein echtes Highlight.
Das Trisha Brown Stück „Set and Reset“ von 1983 wurde von Abigail Yager, einer Expertin für den Brown Choreografie-Stil, rekonstruiert. Sie analysierte das Originalstück und suchte nach gewissen Bewegungsmustern, die den Charakter der Choroegrafie ausmachen. Diese Essenz an Bewegungen gab sie an die Tänzer der Companie CANDOCO weiter und erarbeitete mit ihnen die Rekonstruktion„Set and Reset/Reset“. Da bei dieser Produktion Tänzerinnen und Tänzer mit und ohne Behinderungen beteiligt sind, passte Yager die Bewegungen je nach Fähigkeiten und Möglichkeiten der jeweiligen Person an. Beide Versionen wurden auf Video gezeigt. Die Tanzbewegungen waren erkennbar ähnlich, aber nicht gleich. Das rekonstruierte Stück wirkte moderner und in die heutige Zeit versetzt. Ein überaus erstaunliches Konzept.
Aktuelle gesellschaftliche Trends
Globalisierung, Interkulturalität, Generationen-Mix, Geschlechterrollen – all diese Entwicklungen werden derzeit heftig diskutiert. Besonders beeindruckend waren und immer wieder erwähnt wurden die Dancing Grandmothers. Die Choreografin Eun-me Ahn hat eine tänzerische Ode an das Leben geschaffen. Gerade in unserer jugend-orientierten Kultur ist es eine Seltenheit – und doch auch eine Befreiung, ältere Frauen mit Lebensfreude tanzen zu sehen.
Mein persönliches Highlight war „Fractus V“ von Estman/Sidi Larbi Cherkauoi, eine „cross-culture“ Produktion. Die fünf Tänzer und Drei Live- Musiker stammen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und tänzerischen Backgrounds. Die Tänzer begeisterten mit Hip Hop, Flamenco, Breakdance, Akrobatik und kämpften gemeinsam gegen Gewalt, Manipulation und Kontrolle. Standing Ovations vom tobenden Publikum!
Digitalisierung, neue Choreografiekonzepte und Interkulturalität werden den Tanz zukünftig stark beeinflussen. Das Auftreten dieser Mega-Trends setzt Kräfte frei, die Altes abräumen und Neues schaffen – so wie der Titel dieses spannenden Symposiums verdeutlichte.